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Die Jahrestagung des Fachverbands für Kulturmanagementforschung 2024 findet vom 09. bis 11. Oktober 2024 am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main statt.
Moderation: Franziska Breuning
Moderation: Dirk Schütz
Moderation: Dirk Schütz
Für Nachzügler
Keynote-Vortrag
Seit den 1960er Jahren verabschiedet sich Theater in Auseinandersetzung mit digitalen Technologien von tradierten Formen und Wirkungen und ist kaum mehr wiederzuerkennen: virtuelle Präsenzen werden alltäglich, eigentätige technische Dinge performen und ein Welttheater von allen und für alle jenseits von Kulturinstitutionen findet in Social Media statt. Im Vortrag wird die Überlegung ausgeführt, dass es weder erhellend ist, diese Entwicklungen als Verlustgeschichte zu lesen, noch ihnen unbedacht und eilfertig mit dem Ruf nach einer umfänglichen Technologisierung des Theaters zu folgen. Es gilt vielmehr zunächst zu klären, woran Theater und Performance im „performing the digital“ arbeiten. Es geht um eine grundlegende Umstellung von Welt- und Menschheitsgeschichte auf die technologischen und epistemologischen Bedingungen digitaler Kulturen geht. Im Fokus steht dabei die Ausgestaltung und Erprobung von unsichtbaren, darin umso wirksameren virtuellen Lebenswelten und techno-humanen Kooperationen. Es steht in Frage, was diese Sicht für die Positionierung von Kulturinstitutionen in dieser Lage bedeutet.
Die digitale Transformation ist „weder ein rein technisches noch ein ausschließlich sozialpolitisches Thema“, sie ist ein „von Menschen aktiv zu gestaltender Prozess“ (Deutscher Städtetag 2022, 5). Kulturpolitik wird zukünftig immer auch Digitalpolitik sein. Der vorgeschlagene Beitrag untersucht, wie die Kulturpolitik der Länder und – so vorhanden – auch des Bundes in ihren Strategiepapieren den Kultursektor – und im Speziellen künstlerische Ausdrucksformen, die auf dem Konzept der Liveness beruhen –
im Prozess der digitalen Transformation fördern will.
Der Deutsche Bundestag hatte 2010-13 die Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ eingesetzt, 2014-17 folgte der ‚ständige Ausschuss‘, der die Leitlinien der Digitalpolitik unter dem Titel „Digitale Agenda“ entwickelte. Diese Leitlinien werden fortlaufend aktualisiert. Im Koalitionsvertrag der vergangenen Legislaturperiode (2017-2021) war „eine mit substanziellen und finanziellen Mitteln unterlegte Strategie für die Zukunft von Kultureinrichtungen und ihre digitale Transformation“ (Bundesregierung 2018, 7844-7845) vorgesehen gewesen. Ihre Erarbeitung war eine von sieben kulturpolitischen Maßnahmen der Umsetzungsstrategie der Bundesregierung unter dem Titel „Digitalisierung gestalten“ (BKM 2021, 10), die von der aktuellen Bundesregierung nicht mehr verfolgt werden. Stattdessen erarbeitete das BKM ein „Perspektivpapier“, mit das BKM „die Stärken des Kulturbereichs für den allgemeinen Kulturwandel gesellschaftlich produktiv“ (BKM 2021, 9) machen und die Prozesse der digitalen Transformation von Kulturbetrieben in sechs „prioritäre(n) strategische(n) Arbeitsfelder(n)“ (BKM 2021, 15) stärken wollte. Dabei stehen „der bundesgeförderte öffentliche Kulturbereich und die vom Bund gestaltbaren Rahmenbedingungen im Mittelpunkt“ (BKM 2021, 15).
Digitalisierungsstrategien als ressort- und themenübergreifende Governance-Instrumente in den Bundesländern werden in Deutschland seit 2015 umgesetzt (Brunner et al. 2020, 6). In diesen Digitalisierungsstrategien auf Ländereben spielt der Kultursektor eine untergeordnete Rolle. Lediglich in Nordrhein-Westfallen wird er in besonders auffallender Weise als Querschnittsthema integriert. In unterschiedlichem Ausmaß wird der Kultursektor in den Digitalisierungsstrategien von Baden-Württemberg, Berlin (aktuell in Arbeit), Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen behandelt. Im Speziellen für den Kultursektor existieren nur vereinzelte Digitalisierungsstrategien (bspw. Hamburg, Schleswig-Holstein, Thüringen). Neun Bundesländer habe eine Kulturstrategie (teilweise auch (Landes-)Kulturkonzept oder Kulturförderplan genannt) verabschiedet. Davon haben nur Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen belastbare Aussagen zur digitalen Transformation des Kultursektors getroffen. Darüber hin aus hat der Deutsche Städtetag 2021 in Reaktion auf die Erfahrungen der Pandemie ein Diskussionspapier veröffentlicht, das die Potentiale der Digitalisierung für mehr Reichweite und Gewinnung neuer Zielgruppen nutzen will und den Beitrag skizziert, „den die kommunale Kulturpolitik für die digitale Transformation leisten kann und muss“ (Deutscher Städtetag, 2021, 4).
Der vorgeschlagene Beitrag diskutiert basierend auf einer Textanalyse dieser Dokumente
die Frage, inwiefern die Kulturpolitik der Länder und des Bundes den Kultursektor in ihren Digitalisierungsstrategien berücksichtigt. Ausgehend vom Befund Brunners et al. –
„Im Bereich Kunst und Kultur sehen die Strategiepapiere die weitere Digitalisierung von Museen, Bibliotheken und Archiven vor. Das beinhaltet den Aufbau der technischen Infrastruktur, die Massendigitalisierung von Kulturgütern sowie deren Zugänglichkeit.“ (Brunner et al. 2020, 26)
– fokussiert er im Besonderen, wie diese Strategiepapier die Entwicklung künstlerischer Ausdrucksformen im Digitalen, insbesondere solcher, die auf dem Konzept der Liveness beruhen, in ihren Digitalisierungsstrategien berücksichtigt. Ziel ist es, anhand der Strategiepapier zu identifizieren, welche Rolle die Kulturpolitik dieser Entwicklung zumisst.
Leitung: Ringo Rösener
Panel (90 Min) auf der 15. Jahrestagung des Fachverbandes Kulturmanagement in Frankfurt am Main.
Dr. Dirk Petrat (Behörde für Kultur und Medien Hamburg), Ariane Schmitt-Chandon (OWL Kulturplattform, Ostwestfalen Lippe GmbH), Jakob Freese (Stadt Leipzig), Dr. Ringo Rösener (Institut für Kulturwissenschaften Leipzig)
Eine Idee geht um in Deutschland. Es ist die Idee vernetzter digitaler Kulturplattformen, die Nachfrage und Angebote der Kultur- und Kreativbereiche deutschlandweit zusammenbringen möchten. Dazu gehören unter anderem vernetzte Veranstaltungskalender, multimediale Kulturangebote, einfache und überregionale Datentransfers aber auch Kulturplattformen zum Interagieren und Präsentieren künstlerischer Projekte. Das Panel will Einblick in den aktuellen Stand zum Datenraum Kultur geben und stellt Praxisbeispiele sowie Praxisüberlegungen zu Kulturplattformen vor.
Dr. Dirk Petrat wird das von der Bundesbeauftragten für Kultur und Meiden geförderte Programm Datenraum Kultur präsentieren. Der Datenraum Kultur ist ein gemeinsames Projekt von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT sowie weiteren anwendungsfallbezogenen Partnern. Der Datenraum Kultur will sich dadurch auszeichnen, dass er Zugänglichkeit und Wiedernutzung von Daten vereinfacht. Leitprinzip ist die Wahrung der Souveränität von Dateneignern, Urhebern und Dienstanbietern, wobei die Daten nicht zentral gespeichert, sondern direkt von Teilnehmendem zu Teilnehmendem übertragen werden. Dirk Petrat stellt die Möglichkeiten und den aktuellen Stand des Datenraums Kultur vor.
Ein konkretes Beispiel einer regionalen Kulturplattform mit dem Fokus auf Veranstaltungen ist die Plattform OWL live. Sie wird seit 2018 vom OWL Kulturbüro und dem Software Innovation Campus Paderborn konzipiert und entwickelt und hat zum Ziel ein großes Spektrum an Interessengruppen unter einem regionalen Dach zu versammeln: Große Museen, kleine Off-Spaces, Kulturschaffende und Kulturinteressierte. Die Plattform bündelt dafür Kulturveranstaltungen aus ganz Ostwestfalen-Lippe in einem Veranstaltungskalender und schafft Sichtbarkeit sowie personalisierte und situationsangepasste Veranstaltungsinformationen für Nutzer:innen. Die Projektmanagerin Ariane Schmitt-Chandon präsentiert die Plattform, ihre Mehrwerte und Herausforderungen.
Auch die Stadt Leipzig forciert eine Kulturplattform, die Bedarfe und Potentiale der städtischen Kulturbetriebe bündeln will. Gleichzeitig soll mit der Kulturplattform ein Zugang geschaffen werden, der Leipziger:innen und Besucher:innen der Stadt unkompliziert ermöglicht, Kultur in Leipzig zu entdecken. Dabei ist noch offen, welchen Service die Plattform tatsächlich anbieten will. In einem gemeinsamen Seminar haben Jakob Freese und Dr. Ringo Rösener Ideen und Bedarfe Leipziger Studierender erfragt und stellen diese sowie die Rolle der Stadt als Testcommunity des Datenraum Kultur vor.
Referenzen:
https://www.acatech.de/projekt/datenraum-kultur/
https://www.ostwestfalenlippe.de/owl-gmbh/owl-kulturbuero/owl-live/
Dirk Petrat: Kultur in neuen Räumen. In: Hans-Jörg Czech, Kareen Kümpel, Rita Müller (2020): Transformation. Strategien und Ideen zur Digitalisierung im Kulturbereich. Bielefeld: Transkript, S. 68-73.
Ariane Schmitt-Chandon, Dr. Simon Oberthür: Innovation durch Integration, die Initiative Datenraum Kultur. In Kulturpolitische Mitteilung 181 (2023). Bonn: Kulturpolitische Gesellschaft e.V, S. 10-11.
Die Formate in denen Kunst und Kultur geschaffen, aufgeführt und vermittelt werden, entwickeln sich stetig weiter. Diese neuen Formate gehen immer stärker auf die individuellen Nutzerinnen ein. Kunst und Kultur wird andersartig und zeitgemäß zugänglich gemacht. Einst starre Ausdrücke wie Ort und Zeit werden reinterpretiert und etablierte Abhängigkeitsverhältnisse und Reihenfolgen hinterfragt.
Im Museum als Institution der Kultur kann das die "Liveness" einer Ausstellung bedeuten. Beispielsweise durch Co-Creation lassen sich Ausstellungsinhalte direkt im Museum erschaffen - von den Besucherinnen innerhalb der Ausstellung. Die Weiterentwicklung des Museumsbesuches zu einem wechselseitigen Austausch kann durch eine aktive, real-time Teilhabe am Museumsinhalt entstehen. Die Begriffe "interaktiv" und "Echtzeit" kommen besonders in einem Kontext immer wieder zusammen vor: Sie sind Grundelemente von Gaming.
Gaming ist ein Medium, das Besucherinnen ein Erlebnis durch einen intuitiven und individuellen Zugang zu Inhalten bieten kann - auch zu Kunst und Ausstellungsinhalten. Das Game an sich ist hierbei ein vom Designer entworfenes Regelwerk, mit dem eine Spielerin - also die spätere Besucher*innen im Museum - interagieren können, um ein Erlebnis zu haben. Das spätere Erleben eines Museumsbesuches innerhalb der Logiken von Games führt so zu einem grundlegendem Paradigmenwechsel in der Erstellung von Ausstellungsinhalten: Es wird kein statisches Objekt mehr ausgestellt, sondern ein regelbasierter Framework zur Interaktion. Museum und Game verschmelzen zum hybriden Ort der Selbstwirksamkeit. Um jedoch nicht in banalen Spiele-Gimmicks zu enden, ist es nötig den Inhalt und die Ausführung des Games innerhalb eines mehrstimmigen Prozesses zu entwickeln.
Wie lassen sich solche Frameworks zeitgemäß entwerfen? Wer macht die Regeln hierfür? Wie kann eine breite, heterogene Autorenschaft eingebunden werden? Wie erstellt man in einer Gruppe Games, in der nicht alle (oder niemand) Game Designer sind?
Das Studio finster3000 erforscht diesen kollaborativen Prozess insbesondere auf inhaltlicher und methodischer Ebene:
Die kohärente Vermittlung von Inhalten durch Gaming bedeutet ein Erlebnis zu gestalten. Um im Kollektiv Regeln zu finden, in denen Inhalte erlebt werden, bedarf es einer klaren Ordnung. Die universellen Bestandteile von Erlebnissen, wie Narrative, Interaktionsmechaniken, Informationsträger etc. werden modularisiert und bereitgestellt. Dies ermöglicht die gemeinsame Gestaltung eines Erlebnisses durch iterative Kombination und Rekombination der einzelnen Module.
Auf der Methodenebene werden Workshops innerhalb des Gestaltungsprozesses selbst durch Gamification in dynamische, aktive und ergebnisorientierte Treffen umgewandelt. Durch Prinzipien des Gamings wird hier die Reduzierung von Komplexität ermöglicht. So wird eine diverse Personengruppe dazu ermutigt, aktiv am Prozess teilzuhaben und innerhalb einer heterogenen Gruppe zu kooperieren. Dies führt zu authentischen und vielschichtigen Ergebnissen.
Das abgestimmte Zusammenspiel dieser zwei Ebenen ermöglicht es einer breiten Autorenschaft, gemeinsam Games zu entwickeln - vom Inhalt bis zur finalen Spielemechanik.
Die Erfahrungen aus Praxis und Lehre dieser Herangehensweise an das Thema "Autorenschaft" wird unter anderem anhand des Entstehungsprozesses des Co-Creation Games "get:in" innerhalb der Ausstellung "Stuttgart - Afghanistan" im Linden-Museum Stuttgart aufgezeigt.
Referenzen:
- Mario Carpo
- Jesse Schell
- Jose Sanchez
Trotz ‚Digitalisierungsschub‘ in der kulturellen Bildung (Ackermann o.J.) und pandemischer Lösungen ist die physische Co-Präsenz in der Regel ein über alle Entwicklungen hinweg beständiges Element, wenn Künstlerinnen mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Trotzdem formieren sich durch die Arbeit von Künstlerinnen in Handlungsfeldern, die traditionell der sozialen Arbeit, Bildung oder Pädagogik zugerechnet werden, neue Orte der Kunst, die anders funktionieren als nach den klassischen Parametern aus Präsentation/ Aufführung und Publikum und sich oft als ein ‚im dazwischen‘ verstehen (vgl. Hohmaier und Speck 2019). Gerade der Aufschwung von social practice oder socially engaged art in den letzten Jahren (Bishop 2012; Berg 2023), das Reüssieren von Kunstkollektiven, wie Project Art Works (documenta 15) oder Array Collective (Turner Prize 2021) und das Hervortreten eines ‚anthropologisch‘ orientierten Kunstbegriffes (Berg 2023) im Kunstfeld, bieten zunehmend Möglichkeiten der Valorisierung (Reckwitz) auch von Künstlerinnen im pädagogischen Handlungsfeld. Abseits der kunstbezogenen Aufmerksamkeitsökonomie findet diese Arbeit z. B. als gemeinsame Schul(hof)- oder Klassenraumgestaltung statt, werden Kurse und Projektwochen zu bestimmten Kunstformen, Themen oder Materialien angeboten, oder existieren Zielgruppen offene Angebote in Stadtteilprojekten unter der Leitung von Künstlerinnen. Unter Rückgriff auf Interviewmaterial und Aspekte des in meinem Dissertationsprojektes entwickelten Grounded Theory Models möchte ich in geplantem Vortrag den Transfer künstlerischer Prinzipien auf Handlungsfelder außerhalb der Kunst untersuchen. Es verschiebt sich das Gewicht von einer Produktzentriertheit hin zu einer partizipativen Praxis, wobei sich eine Didaktik des Materials und Prozesses herausarbeiten lässt. Überlegt werden soll im Vortrag auch, inwiefern Kulturmanagement zunehmend Bildungsmanagement einbeziehen muss, weil z. B. ethische Aspekte zum Tragen kommen.
Ackermann, Judith. o.J. „‚Kulturelle Bildung erlebt einen Digitalisierungsschub‘ - BMBF Bündnisse für Bildung“. Bundesministerium für Bildung und Forschung - BMBF Bündnisse für Bildung. o.J. https://www.buendnisse-fuer-bildung.de/buendnissefuerbildung/de/einblicke/kulturelle-bildung-erlebt-einen-digitalisierungsschub.html.
Berg, Karen van den. 2023. „Auswege aus der Kunst. Soziale Plastik, Aktivismus und Post Art“. In Performance transformieren: Covid-19 und die Digitalisierung des Wuppertaler Beuys-Performancefestivals, herausgegeben von Bettina Paust und Katharina Weisheit. transcript Verlag.
Bishop, Claire. 2012. Artificial Hells: Participatory Art and the Politics of Spectatorship. London/New York: Verso. http://choicereviews.org/review/10.5860/CHOICE.50-4224.
Hohmaier, Kathrin, und Karsten Speck. 2019. „Dimensionen der Anforderungen in Kooperation zwischen Künstler*innen und Bildungseinrichtungen: Empirische Ergebnisse aus dem ‚Kompetenzkurs Kultur – Bildung – Kooperation‘“. In Forschung zum pädagogisch-künstlerischen Wissen und Handeln, herausgegeben von Joachim Ludwig und Helmut Ittner, 279–305. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
Kunst als Arbeit, Künstler*innen in pädagogischen Handlungsfeldern, Präsenz, Prozess, Material
Der Diskurs über Beteiligung und Partizipation im Kontext der Entwicklung von Dritten Orten in Kulturbetrieben war lange Zeit von der Frage nach der Gewinnung neuer Publikumsschichten und einer Öffnung der Orte hin zu diverseren Besucher:innengruppen geprägt. Die von den theoretischen Arbeiten Ray Oldenburgs (1989) geprägten Diskussion von Zugangsbarrieren durch Bildung, architektonische Grenzziehungen und historische Aufladungen der spezifischer Kulturproduktionsorte als Versammlungsstätten für bildungsbürgerliche Schichten, bestimmte für lange Zeit maßgeblich die Auseinandersetzung im Kulturmanagement. Durch eine veränderte (welt-)politische Lage und ineinandergreifende Polykrisen, geprägt durch Kriege, Klimakatastrophen, dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien , zeigt sich indessen noch eine erweiterte Untersuchungsdimension für Dritte Orte. Inwiefern können sie jenseits von parteipolitischer Vereinnahmung zu Orten demokratischer Teilhabe werden, die quasi als Schutzräume funktionieren für einen differenzierten, partizipativen und diversitätsorientierten Austausch über gesellschaftliche Fragen im Kontext künstlerischer Produktionen? Demokratie wird hierbei formuliert als eine Grundlage von Beteiligung, die Mehrstimmigkeit , Pluralismus, Wahrung von Grundrechten und einer Bewahrung einer nicht normativen Freiheit von Kunst, die seit einigen Jahren durch strukturell geführte, populistische Angriffe beständig in Frage gestellt wird.
Der geplante Beitrag stellt methodisch einen theoriebasierten Ansatz für eine Modellbildung vor, die Kulturbetrieben helfen soll, anhand spezifischer Kategorien und Indikatoren zu überprüfen, ob sie als Shelter-Ort fungieren können bzw. welche Faktoren möglicherweise noch nicht erfüllt sind, um eine solche demokratieorientierte Schutzfunktion übernehmen zu können. Dabei fließen Daten und Analysen aus der kulturellen Planungspraxis ein. Ausgehend von Daten, Beobachtungen und Erkenntnissen im Kontext der Neubauplanung der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf sowie dezentraler Festivalprojekte im Ruhrgebiet (u.a. Ruhr Triennale) zeigen die Autoren auf, dass eine dezentrale Orientierung sowie eine die Oldenburgschen Indikatoren erweiternde Betrachtungsweise dem Dritten-Ort-Konzept Kulturbetrieben eine an aktuelle Anforderungen angepasste Funktions- und Handlungsmacht verleiht. Dabei wird theoriebezogen auch auf die organisationstheoretischen Begriffe Exit, Voice und Loyalty von Alfred O. Hirschmann zurückgegriffen, mit denen die (kultur-)politischen Verhaltensweisen von Besucher:innen als maßgeblich für die Gestaltung von Dritten Orten betrachtet werden. Der Vortrag stellt den bisherigen Stand der Modellbildung vor, zeigt die verwendeten Methoden auf und stellt offene Fragen zur Diskussion.
Genutzte Quellen:
Vgl. exemplarisch international: Borwick, Doug (2012): Building Communities, Not Audiences: The Future of the Arts in the United States. ArtsEngaged. Und national: Weiß, Gabriele (Hrsg.) (2017): Kulturelle Bildung – Bildende Kultur. Schnittmengen von Bildung, Architektur und Kunst. Transcript; Piontek, Anja (2017): Museum und Partizipation. Theorie und Praxis kooperativer Ausstellungsprojekte und Beteiligungsangebote. Transcript.
Vgl. u.a. Mandel, Birgit (2019): Can Audience Development Promote Social Diversity in German Public Arts Institutions? The Journal of Arts Management, Law and Society 49/2, 121-135. https://doi.org/10.1080/10632921.2018.1517064
Oldenburg, Ray (1989): The Great Good Place. Cafés, Coffee Shops, Bookstores, Bars, Hair Salons, and other Hangouts at the Heart Community. Marlowe & Company.
Alexander, Christopher (1995): Eine Muster-Sprache. Löcker Verlag; Alexander, Christopher (1978): A Pattern Language: Towns, Buildings, Construction. Oxford University Press
Vgl. Constance DeVereaux / Steffen Höhne / Martin Tröndle / Keith Nurse (eds.)
Journal of Cultural Management and Cultural Policy/Zeitschrift für Kulturmanagement und Kulturpolitik
Vol. 8, Issue 1: Arts Practices and Cultural Policies in Conditions of Disaster. Transcript.
Vgl. Wolfram, Gernot (2024): Schutzorte in der Polykrise. Müssen Kulturbetriebe in viel stärkerem Maße zu
demokratischen Plätzen werden? In: KM Magazin 01/24. https://www.kulturmanagement.net/Themen/Schutzorte-in-der-Polykrise-Muessen-Kulturbetriebe-in-viel-staerkerem-Masse-zu-demokratischen-Plaetzen-werden,4624
Autenrieth, Daniel et.al. (2023): (Virtuelle) Dritte Orte als Chance für eine nachhaltige Bildungslandschaft: Konzepte, Theorien und Praxisbeispiele. Kopaed.
Hirschman, Albert O. (1970): Exit, Voice and Loyalty. Responses to Decline in Firms, Organizations and States. Harvard University Press.
Die gebaute Umwelt gewinnt zunehmend an Aufmerksamkeit und Architekturfestivals, insbesondere Veranstaltungen mit offenen Türen, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Das Open House Worldwide-Netzwerk ist ein führendes Beispiel, das die weltweite Auseinandersetzung der Architektur fördert. Eine zentrale Herausforderung bei diesen Festivals besteht darin, Inhalte und Programme zu kuratieren, die ein breites, vielfältiges Publikum ansprechen.
Die Einbeziehung professioneller Architekten sowie Projekte und Themen, die zum Dialog anregen, Standpunkte hinterfragen und architektonische Vielfalt feiern, sind von entscheidender Bedeutung. Open House Brno veranschaulicht diesen Ansatz mit seinem abwechslungsreichen Programm, das Musikdarbietungen, Ausstellungen, Vorträge, Workshops und Führungen umfasst. Diese Veranstaltungen sprechen ein breites Publikum an, von Branchenexperten bis hin zur breiten Öffentlichkeit, und fördern eine integrative Atmosphäre.
Open House Brno fördert auch Diskussionen über die sozialen, ökologischen und kulturellen Auswirkungen von Architektur. Durch Installationen, Video-Filme und Bildungsprogramme macht das Festival Architektur für alle zugänglich und ansprechend.
Im Mai 2024 wurden von Festivalbesuchern komplexe soziologische Fragebögen ausgefüllt, deren Ergebnisse und Auswirkungen vorgestellt werden. Diese Daten werden Einblicke in das Engagement des Publikums und die breitere Wirkung des Festivals geben.
Das Netzwerk Open House Worldwide unterstützt ähnliche Open-Air-Festivals in 60 Metropolen weltweit und fördert so die Wertschätzung von Architektur auf globaler Ebene. Dieser Beitrag skizziert die Herausforderungen beim Aufbau einer starken Festivalmarke und die kuratorischen Strategien, die Zielgruppen effektiv einbinden. Kulturmanager stehen vor der Schwierigkeit, die Botschaft des Festivals, die Programmpunkte und das Wertversprechen über verschiedene Kanäle zu kommunizieren.
Durch die Bewältigung dieser Herausforderungen hat sich das Architekturfestival in Brünn in über sieben Ausgaben zu einem dynamischen Raum für den kulturellen Austausch entwickelt. Es regt die Kreativität an und fördert ein tieferes Verständnis der städtischen Architekturlandschaft, was die transformative Kraft gut gemanagter kultureller Veranstaltungen veranschaulicht.
Der virtuelle (museale) Ausstellungsraum soll im geplanten Vortrag im Kontext seiner Funktion als 1. sozialer Raum, 2. ästhetischer Erfahrungsraum und 3. institutionell-kontextualisierender Raum untersucht werden. Dabei gilt es den Rezipierenden im Beziehungsdreieck zwischen Publikum, Kunstwerk und (kuratorischem/vermittelndem) Kontext stets mitzudenken. Der Beitrag soll zunächst Dimensionen des virtuellen Ausstellungs- und Vermittlungsraums untersuchen, seine Möglichkeiten als Ort der Bildung und des ästhetischen Genusses sowie der Partizipation darstellen und in einem zweiten Teil das virtuelle Kulturpublikum in seiner Heterogenität anhand einer möglichen Segmentierung sowie damit einhergehender unterschiedlicher Anforderungen an einen virtuellen Ausstellungs- und Vermittlungsraum thematisieren.
I. Der virtuelle Raum
Nach kurzer Darstellung der Spezifika der Kunst- und Kulturvermittlung und -präsentation im digitalen Raum sowie Arten virtueller Ausstellungsräume, werden mögliche (Nicht-)Unterschiede einer ästhetischen Erfahrung von analoger Kunst zu ihren digitalen Surrogaten, die durch ihre sekundäre Darstellung im Digitalen eine Änderung in Materialität, Medium und Kontextualisierung erfährt, aufgezeigt. Geleitet von der Absenz des physisch präsenten Kunstwerks als klassischer Ausgangspunkt der Kunstvermittlung steht die Kunstvermittlung im digitalen Raum vor neuen Herausforderungen: Neben Born-Digital-Objects, also originär digitaler Kunst, trifft der/die Rezipient:in im virtuellen Raum auf digitale Reproduktion ursprünglich analoger Kunst.
Ersetzt durch das digitale Replikat bzw. Surrogat ist der soziale Raum, den der analoge Ausstellungsraum durch den Austausch zwischen a) Publikum und Publikum b) Publikum und Werk und c) Publikum und Institution darstellt, im Virtuellen ein anderer als im Analogen ebenso wie die kuratorische Entscheidung einer situativen Kontextualisierung in virtuellen Ausstellungs- und Vermittlungskontexten von neuen multimedialen Möglichkeiten geprägt ist. Neue Fragen eines Transfers ursprünglich analoger Objekte in den virtuellen Raum kommen auf: Wie kann zeitgenössische Kunst, die auf Interaktion beruht, in den virtuellen Ausstellungsraum übertragen werden? Die autopoietische Feedbackschleife nach Erika Fischer-Lichte unter Co-Präsenz des teilnehmenden Publikums kann nur bedingt stattfinden, was zur anschließenden Untersuchung des „digitalen Kulturpublikums“ führt.
II. Das virtuelle Publikum
Die Erweiterung musealer (Vermittlungs-)Angebote in den virtuellen Raum wächst stetig. Doch wer sind die Besucher:innen virtueller Kultur- insb. Ausstellungsräume?
In seiner zweiten Hälfte stellt der Vortrag ein mögliches Modell der Publikumssegmentierung anhand sechs verschiedener User:innentypen und zeigt dabei verschiedene Nutzer:innenanforderungen an museale virtuelle Räume und deren begleitendes Vermittlungsangebot. Letztlich sollen Anforderungen eines virtuellen Publikums auf ein Modell der Segmentierung (basierend auf der Nutzungsmotivation eines digitalen Angebots, vgl. Falk 2009, vgl. Beer/Stärk/Günter 2022) des digitalen Publikums übertragen werden.
Der Beitrag basiert auf Zwischenergebnissen des eigenen Dissertationsprojekts „Potenziale und Grenzen der digitalen Kunstvermittlung. Virtuelle Kunsterfahrung und ihre Konsequenzen für die Kunstvermittlung im digitalen Raum“ (2021-2025, Erstbetreuung Prof. Dr. Ulli Seegers HHU Düsseldorf, Zweitbetreuung Prof. Dr. Hubertus Kohle LMU München) sowie Ergebnissen des Projekts „ART 4.0 – Digitale Kunstvermittlung“ (Projektleitung, März 2020 bis Oktober 2021, gefördert durch den Stifterverband sowie Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen).
Literatur (Auszug):
Bourriaud, Nicolas: Relational Aesthetics, Dijon 2002.
Beer, Barbara/Stärk, Theresa/Günter, Bernd: Die Erweiterung des Offline-Angebotes durch Online-Angebote im Kulturmarketing am Beispiel des Museumsmanagements, in: Kristin Butzer-Strothmann (Hrsg.): Integriertes Online- und Offline-Channel-Marketing, Wiesbaden 2022.
Dünne, Jörg/Günzel, Stephan: Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2006.
Falk, John H.: Identity and the Museum Visitor Experience, New York 2009.
Falk, John H./Dierking, Lynn D.: The Museum Experience Revisited, New York 2014.
Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik des Performativen, Frankfurt am Main 2004.
Hein, George E.: Learning in the Museum, London 1998.
Krämer, Sybille: Medien, Computer, Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und neue Medien, Berlin 2018.
McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle. Understanding Media, Düsseldorf/Wien/New York/Moskau 1992
Meyer-Drawe, Käte: Zur Erfahrung des Lernens. Eine phänomenologische Skizze, in: Santalka Filosophija, 18 (2010), Heft 3, S. 6-16.
Preuß, Kristine/Hofmann, Fabian: (Hrsg.): Kunstvermittlung im Museum. Ein Erfahrungsraum, Münster 2017.
Recent technological advances have dramatically transformed the creation and organization of social contexts, as well as the production and consumption of cultural products and services. These changes have redefined the roles of producers and consumers in the creative process (Ritzer & Degli Esposti, 2020; Toffler, 1980). Participation practices are evolving—more people are involved, their roles are increasingly active, and co-creative production methods are becoming more critical and widespread (Shirky, 2008)—not specifically in the cultural sector but here as well (Nakajima, 2012). For cultural providers, this raises the question of how artistic programmes can be designed to take account of these new conditions and how cultural management can respond to this development.
Our study examines this question through the investigation of four virtual Twitter (now X) theatre events at the Vienna Burgtheater, initially implemented during the COVID-19 pandemic to maintain audience engagement despite lockdown measures. The Burgtheater invited audiences to use Twitter to collaboratively narrate a fictitious evening at the theatre. Beyond initial content cues, the evolution of the plot was left entirely to the audience, who crafted the occurences and content via Twitter.
We adopted a mixed-methods approach, integrating network analysis of the tweets and the participant network with content analysis of the tweets, interviews with theatre staff, and netnographic participation in the events by one of the authors.
Our results suggest a shift in the self-perception of the theatre from a provider of cultural offerings to a facilitator of exchange and encounters, i.e. a „hub“ (Wiid & Mora-Avila, 2017) where cultural experiences can be made. In this understanding, the theatre acts as a moderator, initiating, channelling, amplifying, and regulating interactions. A key element in content design is a shared frame of reference—in this case, theatre conventions—which acts as a recognition grid for identifying potentially engaging content cues. Coupled with the limitless potential of imagination that written communication on Twitter allows, a distinctive entertainment value is generated, fostering a genuine creative experience rather than merely replicating live experiences. Contrary to the prevailing view in the literature (e.g. Pöllmann & Hermann, 2019), our study suggests that genuine digital cultural offerings do not necessarily require explicit strategy development but rather benefit from implicit strategizing through ongoing experimentation, keeping conditions open for community input as long as possible. This represents a significant paradigm shift for supply-oriented cultural management.
References
Nakajima, S. (2012). Prosumption in Art. American Behavioral Scientist, 56(4), 550–569. https://doi.org/10.1177/0002764211429358
Pöllmann, L., & Hermann, C. (Eds.). (2019). Der digitale Kulturbetrieb. Strategien, Handlungsfelder und Best Practices des digitalen Kulturmanagements. Springer Gabler.
Ritzer, G., & Degli Esposti, P. (2020). The increasing centrality of prosumption in the digital capitalist economy. Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 45(3), 351–369. https://doi.org/10.1007/s11614-020-00422-z
Shirky, C. (2008). Here Comes Everybody: The Power of Organizing Without Organizations. Penguin Books. https://doi.org/10.3399/bjgp09x420437
Toffler, A. (1980). The Third Wave. William Morrow and Company.
Wiid, R., & Mora-Avila, P. (2017). Arts Marketing Framework: The Arts Organisation as a Hub for Participation. Journal of Public Affairs, 18:e1657. https://doi.org/10.1002/pa.1657enter code here
Erinnern, so ist im Positionspapier des Deutschen Städtetags (2023) zu lesen, „ist Zukunft“: Mit Erinnerungskultur lasse sich Demokratie stärken, kollektive Identität ausbilden, Orientierung gewinnen, Transformation bewältigen und sozialer Frieden sichern. Um Erinnerungskultur(en) herzustellen und zu vermitteln, sind indes Räume notwendig – seien sie physischer, diskursiver oder digitaler Natur. Erst im Raum wird Erinnerung als aktive kollektive Gedächtnisleistung möglich: durch die Auswahl und Anordnung von Artefakten, durch kontextualisierende Narrative und die Möglichkeit der Versammlung. War Erinnern im analogen Raum oft die Aufgabe des Staates und seiner Institutionen (Museen, Gedenkstätten, Archive), hat sich der Raum des Erinnern in postmodernen Gesellschaften dank digitaler Technik ausdifferenziert. Akteur*innen der Zivilgesellschaft machen vom digitalen Raum Gebrauch, um Kulturerbe visuell zu konservieren, einzuordnen und zu verbreiten. Dabei soll das Internet etwas leisten, das Institutionen aufgrund von „Gatekeeperschaft“ nicht immer zugetraut wird: Minderheiten werden sichtbar, plurale Perspektiven zugelassen, Geschichten dokumentiert, Kommunikations- und Partizipationsräume eröffnet.
Dass die Möglichkeiten des Digitalen auch die Forschung seit geraumer Zeit beschäftigen, ist anhand wachsender Bibliografien ebenso nachzuvollziehen (Hein 2009; Sebald/ Döbler 2019) wie anhand einer zunehmenden Zahl von Apps, Websites und Social-Media-Formaten zur Erinnerungskultur (Martin/ Kowark 2023). Inhaltliche Schwerpunkte liegen auf der Konservierung von Zeitzeugenschaft (etwa des Holocaust), der Erinnerung von Minderheiten oder der Rekonstruktion verlorener respektive bedrohter Räume (durch Vertreibung, Strukturwandel, Globalisierung). Um dieses ‚gefährdete‘ Erbe für die Nachwelt zu erhalten, werden interaktive Landkarten entworfen, persönliche Schicksale erzählt und Erinnerungsgegenstände durch Storytelling lebendig.
Damit – das ist die These dieses Beitrags – ist allerdings auch eine Subjektivierung des Erinner-ten und des Erinnerns verbunden. Indem einzelnen Menschen, Artefakten und Räumen mittels ästhetischer Darstellung exemplarische Bedeutung zugeschrieben wird, soll eine „Kulturgeschichte von unten“ entstehen, bisweilen mit dem Duktus einer „Rettungsarchäologie“. Das persönliche Erzählen, aber auch seine mediale Aufbereitung knüpfen dafür an Erzählweisen der Spielfilm- oder Gaming-Industrie an, das Ereignisse, Personen und Räume inszeniert und individuelle Erfahrungen als Zugänge für ein generelles historisches Verstehen anbietet. Wie im Feld der Kunst soll die digitale Aufbereitung von Geschichte die Möglichkeit zu persönlicher Einfühlung und Empathie eröffnen (Assmann 2021). Indem sich die gewählten Mittel (visuelle Erzählung, Vertonung, Strukturierung) der Kunst nähern, schließen sie auch die Möglichkeit einer fiktionalisierenden Darstellung von Erinnerung nicht aus, wozu technische Möglichkeiten beitragen (Claassen 2008).
Für den fließenden Übergang von Wahrnehmung, Wirklichkeit und Imagination hat die Philosophie den Begriff des Panfiktionalismus geprägt. Damit ist gemeint, dass Wirklichkeit für den Menschen stets nur als wahrgenommene und durch den Wahrnehmungsapparat konstruierte Wirklichkeit existiert (Blume 2019). Ziel des Beitrags ist es, anhand von exemplarisch analysier-ten Websites zu prüfen, inwiefern sich bei Erinnerungsangeboten im digitalen Raum Ansätze von Panfiktionalität erkennen lassen und was dies für eine kollektive Erinnerungskultur bedeu-tet. Dafür greift der Beitrag auf Theorien zum kulturellen Gedächtnis und zum Panfiktionalismus zurück; methodisch wendet er die qualitative Inhaltsanalyse an. Die vorläufigen Ergebnisse sollen mit der oben zitierten Hoffnung der Politik verglichen werden, dass digitale Erinnerungskultur mehr Demokratie und Partizipation biete. Es wird gefragt, wie digitale Erinnerungsangebote mit der gewünschten sozialen Wirkung – zu neuen Formen gemeinsamen Erinnerns zu gelangen – in Übereinstimmung zu bringen ist. (491 W.)
Literatur
Assmann, Aleida (2021): Jüdisches Unbehagen an der deutschen Erinnerungskultur. In: Wiese, Christian u. a. (Hrsg.) (2021): Die Zukunft der Erinnerung. Perspektiven des Gedenkens an die Verbrechen des Nationalsozialismus und die Shoah, Berlin, Boston, S. 93–103.
Blume, Peter (2019): Fiktion und Weltwissen. Der Beitrag nichtfiktionaler Konzepte zur Sinn-konstitution fiktionaler Erzählliteratur, Berlin.
Claassen, Peter (2008): Medien und Erinnerung. In: Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/themen/erinnerung/geschichte-und-erinnerung/39857/medien-und-erinnerung/ (Zugriff 13.4.2024)
Deutscher Städtetag (2023): Erinnern ist Zukunft. Demokratie stärken mit Erinnerungskultur. Positionspapier des Deutschen Städtetages, Berlin (pdf.)
Hein, Claudia (2009): Erinnerungskulturen online: Angebote, Kommunikatoren und Nutzer von Websites zu Nationalsozialismus und Holocaust, Konstanz.
Martin, Leonore / Katrin Kowark (2023): Avatare und Augmented Reality: Auf dem Weg zur digitalen Erinnerungskultur. In: Stiftungswelt, https://www.stiftungswelt.de/journal/avatare-und-augmented-reality-auf-dem-weg-zur-digitalen-erinnerungskultur.html (Zugriff 13.4.2024)
Sebald, Gerd/ Marie-Kristin Döbler (Hrsg.) (2018): (Digitale) Medien und soziale Gedächtnisse, Wiesbaden.
Für die Erschliessung neuer Zielgruppen und um abwechslungsreiche Inhalte zu präsentieren, arbeiten Kulturinstitutionen bereits seit einigen Jahren mit Influencern. Insbesondere in Social Media soll durch diese Kooperationen den kulturellen Angeboten mehr Sichtbarkeit ermöglicht werden. Virtuelle Influencer, digital erzeugte Persönlichkeiten, sind bisher kaum bis gar nicht im kulturellen Sektor aktiv. Lil Miquela ist eine der bekanntestes virtuellen Fashion-Influencer und eine der wenigen, die Kunstgalerien oder die Art Basel besuchte. Dabei repräsentieren gerade virtuelle Influencer, auf Realität basierende digitale Kuratoren und Kuratorinnen von kulturellen Erlebnissen, eine neue Art des Influencer-Marketings. Sie agieren, wie ihre menschlichen Pendants, als Meinungsführende und unterstützen Marken sowie Dienstleistungen. Im Gegensatz zu menschlichen Influencern lassen sich virtuelle Influencer flexibler einsetzen und leichter an verschiedene Zielgruppen und Marketingziele anpassen.
In diesem Zusammenhang untersucht die vorliegende Studie die visuellen Präsentationsstrategien von Esther Olofsson auf Instagram. Im europäischen Kontext war Esther Olofsson eine der ersten virtuellen Influencer, die in einen Kultur- und Tourismusmarketing-Kontext einbezogen wurde.
Sie war Teil einer Marketingkampagne des Dordrechts Museum in Südholland, um die Ausstellung zu bewerben und das Interesse der Bevölkerung zu wecken. Im Rahmen der Kooperation konnte jedoch nicht der gewünschte Erfolg erzielt werden. Nach eigenen Aussagen des Museums sind sie im Gegensatz zu niederländischen Hotelbetrieben, die mit Esther kooperiert haben, weniger für Digitalisierung und Innovationen bekannt, was zu diesem Misserfolg geführt haben kann. Weitere Möglichkeiten für den Misserfolg könnten die visuellen Präsentationsstrategien von Esther im Vergleich mit menschlichen Influencern sein.
Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Untersuchung darauf ab, die visuellen Präsentationsstrategien von Esther Olofsson im Kulturbereich zu analysieren. Dabei liegt der Fokus auf einer qualitativen Untersuchung der visuellen und textlichen Elemente, die üblicherweise von Influencern genutzt werden, um das Verhalten und die Wahrnehmung der User zu beeinflussen. Durch die Auswertung der Daten strebt die Studie an, ein tieferes Verständnis für das Bildmarketing virtueller Influencer zu gewinnen sowie deren Potenziale und Herausforderungen für den Kulturbereich zu identifizieren. Auf diese Weise sollen Erkenntnisse gewonnen werden, die zur Entwicklung zukünftiger Marketingstrategien und kultureller Vermittlungsansätze in digitalen Medien für Kulturinstitutionen beitragen können.
Die methodische Vorgehensweise dieser Studie umfasst eine qualitative Bildanalyse, welche es ermöglicht, die von Esther eingesetzten visuellen Kommunikationstechniken zu untersuchen. Die explorative qualitative Fallanalyse basiert auf 94 Instagram-Posts mit 107 Bildern, veröffentlicht im Zeitraum Oktober 2022 bis Oktober 2023. Die Datenerfassung umfasst zusätzlich die Caption sowie Metriken wie Kommentare, Likes und Tags. Vorläufige Ergebnisse bestätigen am Fall von Esther, das virtuelle Influencer leichter an verschiedene Zielgruppen angepasst werden können. Virtuelle Influencer können kulturelle Attribute mit einem geringen Risiko der kulturellen Aneignung darstellen. Da sie keine realen Personen sind, besteht weniger Gefahr, dass ihre Darstellungen als respektlos oder unangebracht empfunden werden. Ihre digitale Natur ermöglicht es, ihre Persönlichkeit, ihr Aussehen und ihre Botschaften mit Leichtigkeit zu verändern, um sich den Vorlieben der Zielgruppe anzupassen. Zudem können virtuelle Influencer neue kreative Möglichkeiten und Innovationspotenziale im Bereich des Kulturmarketings eröffnen, die zu originellen und innovativen Inhalten führen.
Literatur
@esther.olofsson (2021): City trip to Dordrecht for the exposition of Aelbert Cuyp in the Dordrechts Museum! Instagram. Online verfügbar unter https://www.instagram.com/p/CVx2ivoo7lt/?hl=en.
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Cascio Rizzo, Giovanni Luca; Berger, Jonah A.; Villarroel Ordenes, Francisco (2023): What Drives Virtual Influencer's Impact? In: SSRN Journal. DOI: 10.2139/ssrn.4329150.
Haenlein, Michael; Anadol, Ertan; Farnsworth, Tyler; Hugo, Harry; Hunichen, Jess; Welte, Diana (2020): Navigating the New Era of Influencer Marketing: How to be Successful on Instagram, TikTok, & Co. In: California Management Review 63 (1), S. 5–25. DOI: 10.1177/0008125620958166.
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Leaver, Tama; Highfield, Tim.; Abidin, Crystal (2020): Instagram. Visual social media cultures. Cambridge: Polity Press.
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Xie-Carson, Li; Magor, Thomas; Benckendorff, Pierre; Hughes, Karen (2023): All hype or the real deal? Investigating user engagement with virtual influencers in tourism. In: Tourism Management 99, S. 104779. DOI: 10.1016/j.tourman.2023.104779.
Professionelle Sinfonieorchester nutzen heute die Potenziale der Video-on-Demand-Technologie, um Konzerte via Internet einem weltweiten Publikum zugänglich zu machen. Mit Angeboten wie der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker gehört die deutsche Orchesterlandschaft zu den internationalen Vorreitern in diesem Marktsegment (Soto-Setzke et al. 2022, Furu/Reckhenrich 2021), dessen Relevanz für die breite Masse der Klangkörper sich insbesondere vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr 2020 zeigte (Szedmák 2021). Nach wie vor ist allerdings offen, welche Präferenzen und Anforderungen aus Rezipient*innensicht an entsprechende Videoportale bestehen. Oder präziser: Wie müssen Video-on-Demand-Angebote für klassische Konzerte eigentlich konzipiert sein, damit deren Nutzung für ein klassikaffines Publikum in Frage kommt?
Um erste Antworten auf diese Fragestellung zu entwickeln, wurde im Rahmen einer Masterarbeit am Institut für Kultur- und Medienmanagement der Hochschule für Musik und Theater Hamburg eine empirische Studie durchgeführt und deren Ergebnisse mithilfe einer so genannten Conjoint-Analyse ausgewertet. Dabei handelt es sich um eine Standardmethodik der Marktforschung zur Erhebung von Kundinnenpräferenzen, die mit Blick auf innovative Digitalprodukte nutzerinnenzentrierte Erkenntnisse verspricht (Baier/Brusch 2021).
Der Vortrag diskutiert die Erkenntnisse dieser Conjoint-Analyse und macht deutlich, welche Nutzenbeiträge einzelne Merkmalsausprägungen aus Sicht eines klassikaffinen Publikums zu Video-on-Demand-Angeboten leisten und wie relevant bestimmte Merkmale (Preisgestaltung, Videoinhalte, Nutzer*innenfreundlichkeit etc.) für die Kaufentscheidung sind. Damit gibt der Vortrag eine empirisch gestützte Bestandsaufnahme zum Status Quo von Video-on-Demand-Angeboten für klassische Konzerte aus Publikumssicht – einem Forschungsgegenstand, welcher trotz steigender Praxisrelevanz bisher nur bedingt im Fokus empirischer Untersuchungen steht.
Literatur:
Baier, Daniel / Brusch, Michael (2021): Conjointanalyse: Erfassung von Kundenpräferenzen im Überblick. In: Baier, Daniel / Brusch, Michael: Conjointanalyse: Methoden – Anwendungen – Praxisbeispiele. Berlin / Heidelberg: Springer Gabler, 3–43.
Furu, Patrick / Reckhenrich, Jörg (2021): Digital Transformation at the Berlin Phil-harmonic Orchestra: Creating the Digital Concert Hall. In: Metselaar, John: Strategic Management in the Age of Digital Transformation. London: Proud Pen.
Soto-Setzke, David / Hoberg, Patrick / Murgoci, Alexander / Franzbonenkamp, Sebastian / Gaß, Johannes / Wolff, Tobias / Krcmar / Helmut (2022): Digitale Transformation bei den Berliner Philharmonikern. In: Oswald, Gerhard / Saueressig, Thomas / Krcmar, Helmut: Digitale Transformation. Informationsmanagement und digitale Transformation. Wiesbaden: Springer, 407–432.
Szedmák, Borbála (2021): Business Model Innovation and the First Steps of Digitalization in the Case of Symphony Orchestras. In: New Horizons in Business and Management Studies. Budapest: Corvinus University of Budapest, 160–171.
My work is related to my dissertation project, titled “The Lebanese National Higher Conservatory of Music: A Mongrel of History’s Hatchet.” In this presentation, I will discuss the development of my theoretical framework: a post-colonial Bourdieusian approach. This approach relies on two main aspects.
First, it involves using the general Bourdieusian corpus of field theory, rather than solely focusing on Bourdieu’s work on French cultural fields, combined with my fieldwork in Lebanon (qualitative interviews). Second, it incorporates postcolonial theory, mainly the works of Said and Berque, as well as research about the colonial Algerian experience, including the works of Fanon.
Keynote-Vortrag
Leitung: Hellen Gross, Berend Barkela
In diesem Workshop sollen aktuelle disziplinäre Paradigmen, Perspektiven und Potentiale verschiedener Bezugswissenschaften des Kulturmanagements vorgestellt, abgegrenzt und diskutiert werden. Grundlegendes Kriterium zur Definition des Faches ist die These einer Eigenlogik des kulturellen Feldes nach der insbesondere ein Spannungsfeld zwischen ökonomieaffinen und kulturdominanten Polen bestehe. Die Beforschung des kulturellen Feldes berücksichtigt dies durch einen interdisziplinären Zugang, der nicht nur kulturtheoretische, sondern auch weitere Perspektiven wie ästhetische, soziale, politische oder ökonomische Perspektiven auf und Praktiken im kulturellen Feld integriert . Neben diesen Perspektiven und Potentialen für interdisziplinäre Kooperation zeigt sich aber auch innerhalb des Faches Kulturmanagement ein Spannungsfeld zwischen verschiedenen Disziplinen, insbesondere ökonomischen und kulturtheoretischen Paradigmen, die Integration hemmen . Anstatt der interdisziplinären Potentiale stehen in diesem Workshop diese unterschiedlichen Paradigmen, Zugänge und Perspektiven im Fokus: Welche Bezugswissenschaften sind dominant im Feld? Welche Perspektiven fehlen? Zwischen welchen Perspektiven bestehen die stärksten Konflikte? Ziel ist die möglichst trennscharfen Abgrenzung von disziplinären Perspektiven und deren Paradigmen. Im Anschluss sollen Möglichkeiten interdisziplinärer Perspektiven angedacht und diskutiert werden.
Der Workshop wird als Unterhausdebatte konzipiert, in der sich die Teilnehmer:innen zu Beginn entweder einer eher ökonomieaffinen oder einer kulturdominanten Fraktion anschließen. Wir stellen anschließend in einem kurzen Impulsvortrag übliche Fächer, die zum Kulturmanagement forschen sowie deren Perspektiven und Paradigmen vor und legen von uns identifizierte Kernkonflikte zugespitzt dar. Auf dieser Basis moderieren wir eine Debatte, in der die Fraktionen gefordert sind, sich zu ausgesuchten Konflikten zu positionieren, wobei jederzeit die Möglichkeit besteht, die Fraktion zu wechseln. Durch die starke Polarisierung und aus der Beobachtung ob und inwiefern die Teilnehmer:innen (auch wortwörtlich) in Bewegung gesetzt werden konnten, möchten wir die wichtigsten Konflikte zwischen Paradigmen und Perspektiven erkennen, um in einem nächsten Schritt Implikationen für die interdisziplinären Potentiale des Faches zu erarbeiten.
Als Ankerpunkt für meinen Panelvortrag möchte ich den Begriff der „Mixed Realities“ verwenden, wie ihn Kunstforum titelgebend in Band 290 (2023) vorstellt, um der Frage nachzugehen, welche neuen/zukünftigen Orte der Kunst es gibt. Konkret beschäftige ich mich mit den Fragen, welche Akteur:innen sich versammeln und miteinander in Interaktion treten, und schließlich, welche Effekte sich daraus ergeben. Dies gehe ich vor einem soziologischen Hintergrund an. Auf theoretischer Ebene lässt sich hier mit Bourdieu ansetzen, doch fällt bald auf, dass diese neuen heterogenen Räume schlecht in ein Schema gepackt werden können, wie es Bourdieu in Die Regeln der Kunst vorstellt. Um diese Grenzen zu überwinden, schlage ich einen netzwerkanalytischen Ansatz vor, um verschiedene menschliche wie nicht-menschliche Akteur:innen zu versammeln.
„Mixed Realities“ versucht die Vermischung zweier Realitäten, dem Analogen/Physischen und dem Digitalen/Virtuellen zu beschreiben. Auf künstlerische Arbeiten übertragen, erklärt Scorzin : „Mixed Reality-Installationen bringen im Grunde gesehen unterschiedliche Realitäten hervor, die sich einander bedingen und sich gegenseitig ermöglichen, um sich zugleich miteinander zu einem sinnlich erfahrbaren Ereignis im Kunstwerk zu vereinen“ (62, Kunstforum 2023). Scorzin bezieht sich hier auf zwei – zunächst als konträr wahrgenommene – soziale Kulturen bzw. Räume: Den der Kunst und den der digitalen Technologie. In diesen Räumen werden unterschiedliche Werte vertreten und es bestehen verschiedene Verständnisse von Kunst, ihrer Ästhetik und Mechanismen – oder mit Bourdieu gesprochen: Regeln des Spiels. Im NFT-Hype der Jahre 2021 und 2022 haben sich diese beiden Räumen getroffen und es kam zu Überschneidungen, die auf unterschiedliche und teilweise entgegengesetzten Reaktionen führte. Das Kunstfeld diskutierte hier insbesondere über die Anerkennung Blockchain-basierter Kunstwerke, wobei sich die Argumente zwischen Ablehnung und Euphorie bewegten. Bei weiterer Analyse fiel mir auf, dass sich hier zwei Räume gegenseitig nutzen und dadurch auf beiden Seiten neue Personengruppen angesprochen werden. Daran wird ablesbar, wie vielschichtig sich dieser geteilte und erweiterte Raum gestaltet. Der Hype um NFTs mag abgeflacht und der ökonomische Wert des Anlagewertes NFT abgefallen sein; doch kristallisiert sich nun heraus, welche Personen bleiben, wer den Raum formt und welche langfristigen Effekte sich daraus für das zeitgenössische Kunstfeld ergeben könnten. Ziel meines Panelvortrages ist es, die Struktur dieses neuen Raumes, eine um ein Metaversum erweiterte Welt, nachzuvollziehen und einen Blick auf die Interaktionen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteur:innen zu werfen. Der Begriff der „Mixed Realities“ soll hierbei produktiv gemacht werden, um gemeinsam zu überlegen, welche neuen Wirklichkeiten der Kunst realisiert werden, in der Mensch und Technologie miteinander interagieren.
Referenzen:
Bourdieu, Pierre (2001): Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Berlin: Suhrkamp.
Scorzin, Pamela C. (2023): „Wozu dienen erweiterte Realitäten in den Künsten?“, in: Kunstforum Bd. 290, S. 46-65.
Zahner, Nina Tessa (2023): „Bruno Latours ästhetisierte Mythologie des Sozialen. Zum Verhältnis von Wissenschaft, Ästhetik und Politik bei Bruno Latour“, in: Artis Observatio – Allgemeine Zeitschrift für Kunstsoziologie und Soziologie der Künste Nr. 2 (2023), S. 93-125.
Wie werden Museen zukünftig mit ihren Besucher:innen und Fastbesucher:innen in Dialog treten? Ermöglicht die Erweiterung des Repertoires an Vermittlungsformaten und deren Anreicherung durch digitale Aspekte das Erreichen diverserer Dialoggruppen? Und wenn ja, welche Kriterien gilt es bei der Entwicklung digitaler oder hybrider Vermittlungsformate im Museumskontext einzubeziehen, wenn die Ansprache und Bindung diverserer Publika gelingen soll?
Diesen Fragen widmet sich vorliegender Vortrag unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Evaluation einer, im Rahmen des, von Interreg geförderten Forschungsprojekts „Neue Museumswelten“ entstandenen Toolbox (in digitaler und analoger Form vorhanden). Diese beinhaltet ein Set an modular kombinierbaren Werkzeugen für die holistische Organisationstransformation, welche auf die Erhöhung von Partizipation seitens der Besuchenden, aber auch der Mitarbeiter:innen ausgerichtet ist. Partizipation wird in diesem Kontext mit Carmen Mörsch (2013) eher als zirkulärer denn als linearer Prozess gedacht, wobei speziell eine Bewertung digitaler Räume, Interaktionsformen und -formate hinsichtlich möglicher Beteiligungsgrade vorgenommen wird.
Die, in den einzelnen Erhebungsschritten des Forschungsprojekts (Futures Workshops, qualitative Befragungen im Rahmen der Museumswalks, etc.) dargelegte, designorientierte Vorgangsweise stellt eine Anregung für Museen dar, sich mit dem Vergleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinanderzusetzen. Die gesammelten Ideen und Positionen stellen einen wertvollen Fundus dar, um auf Basis des Vergleichs von Fremd- und Selbstwahrnehmung an der eigenen Positionierung und Haltung weiterzuarbeiten und sich mit Diskursen zu Teilhabe, Inklusion, Partizipation und Communitybuilding auseinanderzusetzen.
Die Evaluation der Toolbox liefert Erkenntnisse über das Zusammenspiel unterschiedlicher Diskriminierungsmechanismen, welche auch bei der Entwicklung digitaler Formen der Ansprache, Bindung und Interaktion nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Die Ergebnisse wurden für die Erweiterung und Bewertung von, im Rahmen des Forschungsprojekts entwickelten Zukunftsszenarien genutzt, welche sich - neben anderen Faktoren - stark auf das Ausloten von Chancen und Risiken digitaler Technologien für Museen fokussieren.
Literatur
Renz, T. (2015). Nicht-Besucherforschung: Die Förderung kultureller Teilhabe durch Audience Development. Bielefeld: Transkript Verlag
Sternfeld, N. (Hg.). Das radikaldemokratische Museum, Edition Angewandte, De Gruyter, Wien, 2018.
Mörsch, C. (2013). Zeit für Vermittlung: eine Online-Publikation zur Kulturvermittlung, Zürich, IAE ZHdK, Online unter: https://www.kultur-vermittlung.ch/zeit-fuer-vermittlung/download/pdf-d/ZfV_0_gesamte_Publikation.pdf (letzter Zugriff 30.4.2024)
Der vorgeschlagene Vortrag zielt darauf ab, das inter- und transdisziplinäre Projekt "Kunsterfahrung im (post-) digitalen Zeitalter. {Original | Digital | Virtuell}" vorzustellen. Ziel dieses vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) finanzierten Projekts ist es, die spezifischen Wahrnehmungsqualitäten von originalen Kunstwerken, ihren digitalen Surrogaten sowie digitalen Erweiterungen in den virtuellen Raum (Augmented und Virtual Reality) zu beschreiben, zu analysieren und zu differenzieren. Dies wird mit einem Mixed-Methods-Ansatz erforscht, der qualitative und quantitative Methoden integriert, um die komplexe Beziehung zwischen ästhetischer Erfahrung und Bildmedialität empirisch durch vergleichende Studien zu erfassen. Konkret werden vier Studien im Oberen Belvedere in Wien durchgeführt, bei welchen Eye Tracking, Fragebögen und eine Woche nach der Teilnahme eine Online-Befragung eingesetzt werden (vgl. Reitstätter et al. 2020).
Kunsterfahrung ist nicht länger auf die kontemplative Betrachtung des Originals innerhalb der physischen Räume eines Museums beschränkt. Im Gegenteil, digitale und virtuelle Medien, die von Museen selbst, von Künstler:innen oder von Besucher:innen produziert werden, erfreuen sich spätestens seit COVID-19 großer Beliebtheit. Der vermehrte Gebrauch digitaler Tools in der Vermittlung von Kunst, wie Online-Datenbanken, Smartphone-Apps und partizipativen Ausstellungsformaten, hat das digitale Bild zu einem wesentlichen Bestandteil unseres Kunsterlebens gemacht. Gerade Kunstmuseen, in denen zumeist visuell erfahrbare Objekte ausgestellt werden, bieten online digitalisierte Werke, virtuelle Besuche, "Digitorials" und Videotouren an. Durch die Verfügbarmachung digitaler Reproduktionen, Ausstellungsführungen mittels Videos, Online-Kursen oder gar virtuellen Besuchsmöglichkeiten, sind viele Kunstsammlungen heute theoretisch jederzeit für ein breites und vielfältiges Publikum zugänglich. Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen in der Produktion, Präsentation und Zirkulation von Kunst scheint es naheliegend, dass sich diese Entwicklungen auch auf die Wahrnehmung von Kunst auswirken. Noch ist unklar, was dies genau für die Kunsterfahrung bedeutet - für die Art und Weise, wie wir uns auf Kunst einlassen, diese wahrnehmen und betrachten. Um das Kunsterlebnis im (post-) digitalen Zeitalter zu verstehen, scheint es notwendig, Kunstwerke in verschiedenen Medienformaten (original, digital, virtuell) zu vergleichen und zu untersuchen, ob es ein medienspezifisches Kunsterlebnis gibt. Ausgehend von Walter Benjamins Konzept der Aura fragen wir: Gibt es Unterschiede zwischen Bildmedien, insbesondere dem Original und den anderen Medien, wenn es um die Auseinandersetzung mit Kunstwerken geht - und wenn ja, wie wirken sich diese Unterschiede aus?
Literatur:
Benjamin, W. (1936). L’oeuvre d'art à l'époque de sa reproduction mécanisée. Zeitschrift für Sozialforschung 5(1), 40–66.
Reitstätter, L., Brinkmann, H., Santini T., Specker, E., Dare Z., Bakondi, F., Miscená, A., Kasneci, E., Leder, H. & Rosenberg, R. (2020). The Display Makes a Difference: A Mobile Eye Tracking Study on the Perception of Art Before and After a Museum’s Rearrangement. Journal of Eye Movement Research,13(2):6, 1995–8692. Doi:10.16910/jemr.13.2.6.
In diesem 90-minütigen Panel diskutieren wir aus der Perspektive der internationalen Kulturarbeit die Rolle und den Stellenwert von Kultur in (post)digitalen Gesellschaften. Wir beleuchten, wie das Goethe-Institut durch innovative Projekte den Diskurs in digitalen Räumen bereichern kann. Dabei geht es auch um die Frage, welche künstlerischen Konzepte abhängig vom lokalen und kulturpolitischen Kontext in digitalen Räumen am besten erlebbar sind und welche kulturmanagerialen Voraussetzungen dafür notwendig sind.
Gemeinsam mit den Projektleiterinnen aus Lissabon, Dublin und München stellen wir drei internationale Projekte aus der Kulturpraxis vor, die exemplarisch für unsere Arbeit in diesem Bereich stehen.
Das GoetheVRsum ist eine virtuelle 3D-Welt, die internationale Begegnungen, Kultur-, Sprach- und Bildungsveranstaltungen über physische Grenzen hinweg ermöglicht und dabei personalisierte Avatare nutzt. Die Umgebung bietet unterschiedliche Zonen für vielseitige Nutzungsszenarien und dient als Plattform für interaktive, immersive Erlebnisse sowie der Erprobung neuer Vermittlungsformate.
Ein internationales Veranstaltungs- und Residenzprogramm des Goethe-Instituts, das die Rolle der Kunst im Kontext neu aufkommender Quantentechnologien untersucht.
Studio Quantum: https://www.goethe.de/prj/lqs/de/index.html
Ein Bildungsprogramm, das Künstlern und Interessierten digitale Werkzeuge näherbringt und sie auf das neue digitale Zeitalter vorbereitet. Die innovativen Workshops decken wichtige Themen wie Blockchain, Augmented Reality und Künstliche Intelligenz ab, um eine Gemeinschaft von informierten und befähigten Kreativen zu fördern.
Art meets Tech: Web3Expressão: https://www.goethe.de/ins/pt/de/kul/sup/web.html
Parallel Fingerfood